Wutblog der C64 Generation Ein Ex-SPD Wähler, welcher sich klarmacht zum Ändern…

July 11, 2013

PRISM, die STASI & verbotenen Vergleiche.

Filed under: PRISM — admin @ 2:39 pm

Edward Snowden hat mit PRISM ans Tageslicht gebracht was viele schon lange vermutet haben, die Amerikaner hören uns als befreundete Nation ab. Als ob nicht z.B. ECHELON schon längst bekannt gewesen wäre. Aber unsere Politiker sind aktiv geworden, allerdings nicht in bürgernahen Sinne. Unsere Kanzlerin verteidigt das Abhören und verbittet sich Vergleiche mir der STASI, unser Außenminister warnt davor über diesen Faux pas die Gespräche über ein Freihandelsabkommen mit den USA zu gefährden. Aber nun schauen wir uns das Ganze mal an:

Frau Merkel ist also der Meinung das man die DDR und die STASI verharmlosen würde, wenn man einen Vergleich zwischen ihr und den NSA Abhörprogrammen zieht. Es dürfte jedem unmittelbar klar sein das es zwischen STASI und NSA einige Unterschiede gibt. So wirkt die NSA z.B. nicht vorrangig gegen US Bürger, die STASI aber überwiegend gegen die eigenen Bürger. Das ist zwar ein gute Nachricht für Leute mit einem amerikanischen Pass, hilft mir aber auch nicht weiter. Die STASI war auch in der Breite wesentlich repressiver als die US Geheimdienste, aber ob zwischen DDR STASI Knästen und dem US Amerikanischen Netz geheimer Foltergefängnisse ein großer qualitativer Unterschied besteht ist schon deutlich schwerer zu beantworten. Ein nicht US Bürger in einem mit den USA verbündeten Drittstaat wird für die feineren Details diese Frage wohl auch maximal akademisches Interesse aufbringen wenn ihm, im Rahmen einer gezielten Tötung, eine Hellfire Rakete durch die Heckscheibe rauscht, weil er “ausreichend” verdächtig war und es zu schwer erschien ihn zu verhaften. Davon ab das letzteres ihm mit einiger Wahrscheinlichkeit auch kein öffentliches, faires Gerichtsverfahren einbringen würde gibt es keine exakten Vorgaben wann die Kriterien für eine solche Tötung erfüllt sind. Aber ich schweife ab.

Da offensichtlich ist das die beiden Einrichtungen zu unterschiedlich sind um für einen 1:1 Vergleich zu taugen muss man schauen wo denn die Gemeinsamkeiten liegen. Und ich stelle fest, zum Teil hat Frau Merkel sogar Recht. Die STASI, ohne die Hilfe moderner Computer samt Datenbanken und Data Mining Lösungen, hat wie PRISM versucht viele Informationen zu sammeln. Da die Ressourcen naturgemäß recht begrenzt waren, konnte man nicht alles und jeden überwachen. Das hatte eine positive Konsequenz, um sich für die STASI Überwachung zu qualifizieren brauchte es wenigstens irgendein Form eines Anfangsverdachts. Das heißt ausdrücklich nicht das dort ein rechtsstaatliches Verfahren stattgefunden hätte. Die NSA hingegen, Technik macht es möglich, hat diese Hindernisse bei PRISM nicht und sammelt pauschal über jeden alle verfügbaren Informationen. In der Opendatacity kann man sich einen schönen Eindruck der Datensammelwut machen.

Frau Merkel hat also Recht und Unrecht zugleich. Man kann die STASI nicht mit PRISM vergleichen, PRISM ist eine ganz andere, größere Dimension, ganz so als würde man die erste Dampfmaschine mit einem modernen, großen Schiffsdiesel gleichsetzen. Das beide Wärmekraftmaschinen genannt werden schmälert die Leistungen von Thomas Newcomen & James Watt in keinen Fall, zumindest hätte ich den Vorwurf noch nie gehört. In dem Kontext Datensammelwut ist der Vergleich trotzdem richtig, auch wenn die STASI in diesem Bereich vergleichsweise harmlos war, so kann doch jeder in Deutschland etwas mit dem Begriff anfangen und wird in diesem Kontext auch kaum das falsche Bild bekommen. Was das Bild richtig macht ist jedoch der Umstand, dass das Ausmaß der Überwachung ebenso unvorstellbar ist wie damals, als der erste Überblick über die STASI Akten erfolgte. Die Dateiablage war dabei so ineffektiv das es bis heute nur Schätzungen gibt wie viele DDR Bürger tatsächlich betroffen waren. Die NSA kann so etwas, moderne Technik macht es möglich, auf Knopfdruck auswerten.

Frau Merkel sagt im oben verlinkten Zeit Interview:

“die Balance zwischen dem größtmöglichen Freiraum und dem, was der Staat braucht, um seinen Bürgern größtmögliche Sicherheit zu geben, immer wieder hergestellt werden”

Entschuldigen Sie Frau Kanzlerin, aber dieser Satz ergibt keinen Sinn. Ich kann einen bestimmten Grad von Sicherheit bei maximaler Freiheit des Einzelnen anstreben. Oder maximale Sicherheit für eine bestimmten Grad an Freiheit. Aber ich kann nicht größtmögliche Sicherheit mit größtmöglicher Freiheit kombinieren. Der minimal Grad unserer Freiheit steht in den Artikeln 1-19 unserer Verfassung. Ihre Formulierung erweckt den Eindruck als wäre dies ein dynamischer Prozess.  Das ist er aber nicht, der Grad der zu gewährenden Freiheit ist klar umrissen und definiert und eben so deutlich (s.u.) ist die Datensammelwut mit unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung unvereinbar. Auch ein größeres Risiko, eine neue Gefahr macht weniger Freiheit nicht akzeptabel. Sonst braucht es nur eine gefühlt (!) ausreichend große Bedrohung um den Abbau auch weiterer Menschenrechte zu begründen. Angst vor Gefahren zu schüren hat in der Geschichte bisher wenig zum Fortschritt beigetragen, aber zu vielen großen Rückschritten. Erstaunlicherweise scheint die Bespitzelung durch PRISM keine Gefahr zu sein vor der man seine Bürger schützen muss, sondern wird zu den Lösungen gezählt.

grafische Illustration des PRISM Aktenschranks

Im nötigen Maßstab ist das STASI Archiv so klein, das man es neben dem “virtuellen” NSA PRISM Archiv nicht sehen kann.

Aber auch unser Außenminister wollte nicht zurückstehen bei diesem Wettbewerb der Plattitüden, zusammenfassen kann man diese wahlweise als “Man soll sich nicht so anstellen, die anderen machen das auch eh”, “Der beißt nicht, der will nur spielen” und natürlich “nichts wird so heiß gegessen wie es gekocht wird”. Seine Variante war die Sorge vor einer Gefährdung des Freihandelsabkommen mit den USA, und man möchte die Gespräche über diese Enthüllungen doch bitte nicht in Gefahr bringen. Herr Westerwelle hat seinen Eid als Minister nicht nur ein mal abgelegt und dieser lautet

Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.

Unser Grundgesetz hat seine Besonderheit in seiner Deklaration der Menschen und Bürgerrechte gleich am Anfang ein Zeichen für deren universelle und übergesetzliche Gültigkeit gesetzt und dieses Grundgesetz zu wahren und zu verteidigen hat er geschworen. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits am 15. Dezember 1983 ein zukunftsweisendes Urteil gefällt:

„Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß. Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. […] Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist. Hieraus folgt: Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser Schutz ist daher von dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfasst. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.“

Das sollte doch eigentlich deutlich genug sein. Ohne einen starken Schutz der Privatsphäre ist ein menschenwürdiges Leben nicht möglich, und unser Grundgesetz garantiert zu aller erst dies, das Recht auf ein Leben in Würde. Diese Recht ist so weitreichend das es in Europa keine lebenslangen Freiheitsstrafen ohne Chance auf vorzeitige Entlassung gibt, da ein Leben ohne Hoffnung auf Freiheit kein würdiges Leben ist. Freiheit ist unter anderem auch meine Meinung kund tun zu können ohne Repressalien befürchten zu müssen und unsere obersten Richter haben schon vor 30 Jahren erkannt das eine ausufernde Datenspeicherung genau dies zu verhindern geeignet ist.

Mit PRISM saugt die NSA verdachtsunabhängig alles von allen auf und selbst versierte Internetnutzer werden kaum eine Ahnung haben wie viele Informationen Sie im Internet hinterlassen und welche Einzelinformationen durch Querverbindungen zu einem umfassenden Bild zusammengeführt werden können. PRISM schafft exakt die Situation die der BVG schwarz an die Wand gemalt hat, “in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß.”

PRISM, die NSA und damit unser Verbündeter, die USA verletzen also unsere Menschenrechte. Und zwar nicht die einiger tausend oder zehntausend Bürger auf Grund eines diffusen Verdachtes, der im Inland zu nichts taugen würde aber in der Auslandsaufklärung ausreichend ist, sonder aller 80 Millionen Bürger diesen Landes. Das Statut von Rom, die rechtliche Basis des Internationalen Strafgerichtshofes, enthält u.A. anderen im Artikel 7 folgenden Passus:

Absatz 1: Jeder der folgenden Akte, wenn sie im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung und in Kenntnis des Angriffs erfolgen:
….
(h) Verfolgung einer Gruppe oder Einheit aus politischen, rassischen, nationalen, ethnischen, kulturellen, religiösen, geschlechtlichen oder anderen Gründen, die allgemein als unzulässig anerkannt sind im internationalen Recht in Verbindung mit diesem Paragraph und den anderen Verbrechen, die der Jurisdiktion dieses Gerichtes unterliegen.
….
(g) Verfolgung bedeutet die absichtliche, schwere Verletzung von fundamentalen Grundrechten gegen internationales Recht wegen der Identität einer Gruppe oder Gemeinschaft.

Ob man nun einen weltweiten Hackerangriff als ausgedehnten oder systematischen Angriff auf die Zivilbevölkerung betrachten kann, Kampfhandlungen sind ausdrücklich nicht erforderlich, und ob man “alle nicht US Amerikaner” als Gruppe betrachten kann mag der Diskussion offen sein, aber zumindest grundsätzlich sollte deutlich sein das eine planmäßige, systematische und organisierte Verletzung der Grundrechte im RoW (“Rest of World” wie man in den USA so schön sagt) kein Kavaliersdelikt ist.

Der Aufarbeitung dieses kleinen Verbrechens gegen die Menschlichkeit steht also ein Freihandelsabkommen gegenüber, eines das Wachstum und Arbeitsplätze bringen soll. Für Herrn Westerwelle gilt es also abzuwägen wie viel Geld unsere Grundrechte denn nun Wert sind, und dabei scheint für ein von lästigen Karlsruher Richtern “erfundenes” Menschenrecht bei ihm nur eine kleine Zahl raus zu kommen. Ich hatte immer die Hoffnung, schließlich leistet jeder Minister darauf einen Eid, das Politiker Ideale haben und das diese sich recht weit mit denen unseres Grundgesetzes decken. Natürlich gibt es eine Realpolitik der man sich beugen muss, aber irgendwo sollte eine Linie um diese Ideale gezogen werden die auf keinen Fall überschritten werden darf. Es wäre interessant zu wissen welches meiner anderen Grundrechte Herr Westerwelle als nächstes bereit ist für ein paar Handelsvorteile zu verkaufen. Ich würde ihm vorschlagen sein passives Wahlrecht zu verkaufen, da haben wir dann alle was von.

Oder rücken sich unsere Politiker ihre Verharmlosungen dieses Skandals einfach nur zurecht um die Wahrheit nicht sagen zu müssen? Machen wir uns nichts vor, Frau Merkel kann vorm Weißen Haus auf Ihren Knien rum rutschen bis sie bluten, Präsident Obama wird deshalb die EU nicht von PRISM ausnehmen lassen. Aber ich hätte Vorschläge zu machen.

1. Aussetzung der Fluggastdatenübermittlung an die US Behörden. Im Gegensatz zu, egal wie scharfen Worten, kann die US Regierung dies nicht ignorieren und muss zumindest verhandeln.

2. Man könnte das Safe Harbor Abkommen mit den USA aufkündigen. Google, Facebook, Amazon und wie sie alle heißen, müssten EU Tochtergesellschaften für die Verarbeitung der Daten von EU Bürgern gründen, und zwar auf eine rechtlich wie technisch geeignete Weise um den (legalen) Durchgriff von US Behörden auf diese Daten zu verhindern. Das heißt i.d.R. mindestens 50% der Anteile in der Hand von EU Bürgern. Die Lobbyisten der US Internet Riesen würden die Telefondrähte bei Senatoren und Kongressabgeordneten glühen lassen um das zu verhindern. Die US Regierung hätte ein offenes Ohr, käme dies doch einem Zwangsverkauf nationaler Wachstumsmotoren gleich.

Dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages kann man übrigens Petitionen auch per Briefpost zusenden, dann muss man auch keine Mitzeichner gewinnen. Die Adresse lautet:

Abgeordnetenhaus von Berlin
Petitionsausschuss
10111 Berlin-Mitte

 

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